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Freitag, 23. Januar 2015

Nähsprech? Ohne mich.

Liebe Nähelfen und Nadelhüpfer,

inspiriert von einer regen Diskussion in einer Nähgruppe muss ich mal was loswerden, was der ein oder anderen eventuell nicht gefällt. Ganz ehrlich, normalerweise bin ich eine ganz Nette. Aber nach einem Jahr Nähgruppenlesen muss es wohl einfach mal raus.


Ja, ich bin eine Frau. Ja, ich nähe. Trotzdem versuche ich einige nähtypischen Begriffe zu vermeiden.
Das fängt damit an, dass meine Nähmaschine keinen Namen hat. Es ist eine W6. Sie erfüllt ihren Zweck. Sie hat keine Gefühle. Ich streichle meine Stoffe nicht. Ich freue mich über Stoffe, bewundere sie vielleicht kurz und vernähe sie dann. Warum streichelt man Stoffe? Ich streichel lieber meine Katzen und meinen Freund.

Apropos Freund: Mit Anfragen wie "Was kann ich meinem Freund nähen?" kann man NICHTS anfangen. Wenn ihr schon selber keine Idee habt, dann helft uns zumindest euch zu helfen. Wie alt ist er, hat er Familie, welche Hobbies hat er? Und nein, "Er trinkt gerne Bier" ist kein Hobby. Genau so wenig kann man Fragen wie "Suche Schnittmuster für Kleid" beantworten. Für Kinder, für Erwachsene, welche Größe. welches Stil? Das sind Dinge, die wir wissen müssen. Ich helfe gerne. Ich werfe dafür sogar Google oder Pinterest an. Aber wenn ihr Hilfe wollt, dann gebt euch doch BITTE ein wenig Mühe mit der Frage.

Ihr seid erwachsene Frauen, stark, habt meist Familie. Aber das gibt euch nicht das recht euch über eure Mitnäherinnen zu stellen. Eine Dame hat den Kinderwagen ihres Kindes neu bezogen. Auf dem Stoff sind Totenköpfe. Sofort entbrennt eine Diskussion: "Wie kann man nur Totenköpfe auf etwas für Kinder machen? Total geschmacklos. Das arme Kind. Das sind ganz ganz schlechte Eltern.". Was gibt euch das Recht euch anhand eines Bildes auf so ein hohes Ross zu schwingen? Was wollt ihr bewirken? Glaubt ihr die Person schreibt "Oh, du hast Recht. Ich dachte das wären Blumen, die seltsam geformt sind. Ich verbrenne das Teil natürlich sofort!!!". Die Person wird sich schon etwas dabei gedacht haben.

Kindersachen müssen auch nicht immer bunt sein. Nicht jedes Teil muss rosa-grün mit türkisenem Bündchen sein. Ein Kind kann auch grau tragen und sogar gut finden. Da gibt es nicht zu verurteilen. Ja, ich finde Farbmixklamotten an kleinen blonden Mädchen die frech in die Kamera lächeln auch toll. Deswegen muss der graue schlichte Pullover aber nicht automatisch schlechter sein.
Auch frage ich mich, warum 99% der Näherinnen ihr ungeborenes "Bauchzwerg" nennen. Für die Dame die den Begriff erfunden hat ist das ja vollkommen okay, aber es zeigt weder eine besonders innige Beziehung, noch dass ihr sonderlich kreativ seid. Jeder der ein Hobby im DIY-Bereich hat brüstet sich damit kreativ zu arbeiten, aber ihr findet nicht einmal einen Spitznamen für euer Kind? Ich finde das traurig.

Achja, ein Tochterkind ist das Kind eurer Tochter, euer Enkelkind. Geschlechtsneutral. Es ist nicht eure Tochter. Glaubt ihr nicht? Dann schaut in den Duden.

Ganz schlimm finde ich es auch, wenn Frauen ihren "besten Mann der Welt" bewerben, weil er ihnen eine Nähmaschine geschenkt hat. Oder weil er ihnen ein Nähzimmer macht, weil er in Ruhe TV schauen will. Mein Mann ist nicht der beste Mann der Welt. Er ist der beste Mann der Welt für mich. Und das nicht weil er mir was kauft, er mir Schnittmuster ausschneidet und klebt oder mir bei der Stoffauswahl hilft. Mein Mann ist der beste Mann für mich, weil er für mich da ist, wenn es mir schlecht geht. Weil er mir einen Wein an meinen PC-Platz bringt, mir den Nacken massiert. Weil ich bei ihm im Wohnzimmer nähen darf auch wenn es mal ein wenig lauter wird. Weil er nicht mosert, wenn man einen Tag noch Reststoffe am Boden liegen. Natürlich kriege ich auch hin und wieder Geschenke. Wenn ich einen tollen Stoff sehe, dann schenkt er ihn mir gerne. Aber das ist nicht, was ihn ausmacht. Und er wäre auch der beste Mann der Welt für mich, wenn er das nicht könnte.


Also, werdet ein bißchen offener. Übt Kritik, aber konstruktiv. Werdet vor allem auch offen für kontruktive Kritik. Benutzt Google, das Suchen nach Schnittmustern und Ideen ist Teil des kreativen Prozesses. Nicht alles in der Nähwelt muss kuschelwuschelrosaweich sein. Es gibt Teile, die sind nicht mit Liebe gemacht, sondern mit Nerven, Blut und hin und wieder sogar Wut.


So, ab jetzt bin ich wieder die Nette. Versprochen. Ich verspreche euch aber auch mich NIE als Nähelfe zu betiteln. Ich bin einfach nur eine Frau, die näht.